Axpo Hüttenpreis

Vom 28.06. bis 05.10.2014 lief die Aktion Axpo-SAC-Hüttenpreis 2014, bei der verschiedene SAC-Hütten besucht werden können. Nach dem Besuch der ersten Hütte hatte ich plötzlich die Idee, während der 100 Tage alle 58 Hütten zu besuchen. Dieses für einen Alpinisten etwas aussergewöhnliche Vorhaben eröffnet doch die ein oder andere neue Perspektive auf die Hütten, die ich lange Zeit als Mittel zum Zweck betrachtete. Bitte beachtet folgende Hinweise

Sonntag, 5. Oktober 2014

Résumé: Hundert Tage zwischen 1500 und 3200 Meter

Hundert Tage, so lange dauert in den Bergen eine Alp-Saison. Ebenso lange dauert die Sommersaison der meisten Berghütten, nämlich von Ende Juni bis Anfang Oktober. Während dieser Zeit gelang es Georg Deck aus dem aargauischen Uezwil, alle 58 Hütten des Axpo Hüttenpreis-Projektes zu besuchen.
(Ein Gastbeitrag von Gion Tegula aus Filisur.)

Wie kamst Du auf die Idee, alle 58 SAC-Hütten der Axpo Aktion zu besuchen?
Nach dem Besuch der ersten beiden Hütten informierte ich mich auf der Axpo-Hüttenpreis Website über weitere Hütten. Da kam mir dann die Idee, möglichst viele davon zu besuchen. Irgendwie packte mich der Ehrgeiz und er liess mich nicht mehr los.
58 SAC-Hütten im Axpo-Hüttenpreis-Projekt
Hattest Du einen bestimmten Plan?
Zunächst nicht, ich ging zu den Hütten, die ich entweder gar nicht kannte oder die in der Nähe meines Wohnortes liegen. Erst mit der Zeit realisierte ich, dass ich genauer planen musste, um mein Ziel zu erreichen. Ich hatte ja nur die Wochenenden und ein paar wenige Ferientage.
Später plante ich dann detaillierter, überlegte im Vorfeld, welche Hütten sich zu einer Rundtour kombinieren lassen, welche Hütten bei Schlechtwetter gut machbar sind und welche sich als Familientour eignen.

Capanna Sasc Furä - Val Bregaglia
Die Hütten befinden sich ja im ganzen Schweizer Alpenraum. Wie bist Du gereist?
Als Besitzer eines GA (Generalabonnement der öffentlichen Verkehrsmittel) war ich fast immer mit dem Zug unterwegs. Einerseits war dies ein grosser Vorteil (nicht nur in finanzieller Hinsicht), denn ich musste nicht unbedingt wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren; andererseits hat es an manchen Orten doch recht eingeschränkte öffentliche Verbindungen. Ab und an hatte ich das Mountain Bike dabei; hier besteht noch Optimierungspotential: Bei manchen Zustiegen lohnt es sich, bei anderen eher nicht. Und das im Vorfeld herauszufinden, ist nicht immer einfach.
Leiterweg zur Sustlihütte

Hast Du Dich speziell darauf vorbereitet und was waren die grössten Herausforderungen?
Nein, eigentlich nicht. In der ersten Jahreshälfte war ich häufig mit dem Velo unterwegs und bin regelmässig mit einer Gruppe im Aargau Mountain Bike gefahren. Dies war sicher eine gute Grundlage. Und während dem Hüttenprojekt wurde ich von Woche zu Woche fitter. Was meine alpine Erfahrung betrifft, gehe ich seit frühester Jugend in die Berge und bin regelmässig in Schnee, Eis und Fels zugange. Dies war in der ein oder anderen Situation sicher ein Vorteil.
Herausforderungen war sicher die ein oder andere lange Tour, bei der ich am frühen Abend noch einen dritten Hüttenzu- und -abstieg vor mir hatte. Oder sich bei strömendem Regen auf den Weg zu machen. Ohne das konkrete Ziel vor Augen, hätte es noch nicht mal eine Ausrede gebraucht, um zuhause zu bleiben.
Mit Tina und Anni im Engadin
Gab es eine besonderes Erlebnis?
Besondere Erlebnisse gab es viele. Ich konnte Gegenden kennenlernen, die man als Kletterer oder Hochtourengänger eher selten besucht, etwa die Sardona- oder auch die Enderlin-Hütte. Andererseits war es spannend, an Orte zurück zu kehren, die ich 30 Jahre lang nicht gesehen hatte. Hier sah ich doch so einiges anders als in der Erinnerung, aus einer neuen, veränderten Perspektive.  
Auf dem Weg zur Cabane de Trient - Vallon d'Arpette de Saleina
Und was war die 'Schönste'?
Hier bin ich natürlich nicht objektiv, denn ich verbrachte 2 Wochen im Rahmen eines Hütten-Praktikums auf der Sasc Furä im Bergell. Gut gefallen hat mir auch die jetzt unbewartete Seetal Hütte bei Klosters. Ein innerliches Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, als ich dort das Axpo-Plakat mit dem Hüttencode "Tagesziel" gelesen hatte. Denn diese Hütte war die erste an diesem Tag und es standen mir noch die Silvretta Hütte sowie ein abendlicher Auf- und Abstieg zur Chamonna Lischana in Scuol bevor. Dazwischen kam mir die gut einstündige Fahrt mit der Rhätischen Bahn als Erholungspause gut gelegen.
Nette Gesellschaft im Berner Oberland
Was waren die leichtesten, was die anstrengendsten Touren? 
Am einfachsten waren die Zustiege zur Sustli- und Seewen-Hütte. Zusammen mit meiner Tochter und einer Freundin starteten wir direkt von der Sustenstrasse aus und erreichten nach einer schönen Wanderung das Ziel. 
Am anstregendsten waren die "kombinierten" Unternehmungen mit Bike und zu Fuss, wo manchmal über 3.000 Höhenmeter, 30 km zu Fuss und ein paar Stunden Velo fahren zusammen kam. 
Schweisstreibend und logistisch interessant war auch meine Anreise mit Zug und Postbus ins Bergell. Wegen einer unfallbedingten Streckensperrung bei der Rhätischen Bahn fuhr ich mit zwei vollen Rucksäcken zunächst nach Arosa, ging zu Fuss zur Ramoz-Hütte und über die Furcletta nach Alvaneu und Tiefencastel, von wo mich der Postbus nach Promontogno brachte. Der dann noch folgende Aufstieg durch die Val Bondasca zur Sasc Furä bildete den würdigen Tagesabschluss.
Glarner Tödiblick
Hast Du alpine Erfahrung, was ist dein sportlicher Hintergrund? 
Mit dem Klettern habe ich als Jugendlicher in meiner Heimat, dem Pfälzer Buntsandstein, begonnen. Bald kamen "ordentliche" Hochtouren, später Nordwände, Eis- und Skitouren. Vor einigen Jahren verlegte ich mich mehr aufs Radfahren und Triathlon, aber seit ich in der Schweiz wohne, zieht es mich so langsam wieder in die Berge.
Aiguille du Chardonnet
Hast Du während dem Projekt auch den ein oder anderen Gipfel bestiegen?
Kaum. Leider musste ich doch den ein oder anderen Berg im wahrsten Wortsinn links liegen lassen und das, obwohl ich konditionell sehr fit war. Schade eigentlich. Aber hier habe ich mir vorgenommen, im nächsten Sommer mehr wieder in Richtung Gipfel zu gehen.
 
Was sind denn Deine konkreten Pläne für die nächste Zeit?
Ganz konkrete Pläne habe ich noch keine. Aber mir fehlen noch einige Viertausender und es gibt eine Reihe schöner Hochtouren, die ich schon länger im Auge habe... 
Oder ich mache zunächst etwas in Richtung Skitourenrennen ... Schaun wir mal.
Im Lötschental - Bietschhorn

Fürs Planen und für das, was kommt, wünschen wir Dir viel Spass und Erfolg!


Gion Tegula, Filisur
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Nummer 58 - Die letzte und die erste ...

Mit der Carschina Hütte im Rätikon stand heute die letzte Hütte meiner persönlichen Axpo-Liste auf dem Programm. Vielleicht war es Zufall: Die Carschina Hütte war meine erste SAC Hütte überhaupt und mit ihr verbinde ich ein besonderes Erlebnis.
Carschina Hütte mit Sulfluh
Im Frühsommer 1983 fuhren vier Heranwachsende aus der Pfalz über ein verlängertes Wochenende ins Rätikon zum Klettern. Ziel waren Sulzfluh und Drusentürme, schöne Kalkklettereien im 5./6. Schwierigkeitsgrad. Unser Zeitmanagement war sehr effizient (wenn auch ungeplant): Freitag Mittags gleich nach Schulschluss ging es los und wir kamen pünktlich montags früh um 6.30 zurück. Für Freddy und mich war es die erste grössere Bergfahrt, und wir waren mächtig stolz, mit Ralf und Winfried, die wenige Jahre älter und um Einiges erfahrener waren, unterwegs zu sein. 
Für Ralf war es die letzte grosse Tour mit uns - ein halbes Jahr später ist er zusammen mit seinem Seilpartner Joe von einer Winterbegehung des Mönchnollens nicht mehr zurückgekehrt.

Rätikon nach 30 Jahren
Mehr als 30 Jahre später in diese Gegend zurückzukehren, war unter diesen Umständen etwas Besonderes. Man gleicht die Realität mit der Vergangenheit ab, oder mit der Erinnerung, die man davon hat. Genau genommen auch nicht die Realität, sondern die subjektive Wahrnehmung derselben.
An manche Kleinigkeiten erinnere ich mich genau, an anderes nur noch verschwommen. An der Aussenwelt hat sich wenig geändert: Die Hütte wurde zweimal erweitert, an der Sulzfluh gibt es mittlerweile Klettersteige, damals unvorstellbar.
Und doch ist alles anders. Denn eines hat sich verändert: Nach so langer Zeit ist man mit Sicherheit nicht derselbe Mensch.

Montag, 29. September 2014

Drei Spätsommerhütten - Legler, Calanda und Enderlin

Als wolle er im Endspurt das nachholen, was er im Juli und August versäumt hat, der nie dagewesene Sommer 2014. Fast zu schön und stabil die Wetterlage, um "nur" Hütten zu erwandern.
Da an diesem Tag drei Hütten auf dem Programm standen, wurde es erwartungsgemäss ein relativ langer Tag, den die Seilbahn auf Mettmen und das Bike am Calanda etwas verkürzen konnte.

Aussicht auf der Leglerhütte Richtung Tödi
Glücklicherweise war ich an der Leglerhütte früh dran, so dass mir der grosse Besucheransturm erst beim Abstieg kurz vor der Seilbahn entgegen kam. "Morgenstund hat Gold im Mund", der Wahlspruch der Zahnärztekammer, galt hier auch für mich.
Calanda Hütte - Dort gabe es vor kurzem Nachwuchs: Curdin
Mit dem PKW ging's dann nach Haldenstein bei Chur, das mir bislang nur als Wohn- und Arbeitsort von Peter Zumthor bekannt war. Die weiteren Sehenswürdigkeiten, nämlich 3 Burgen und ein Schloss, musste ich links liegen lassen, denn es standen 1600 Höhenmeter bevor, die man bis auf die letzten Meter in fast gleichmässiger Steigung mit dem Bike bewältigen kann. Die Sonne tat nochmal ihr bestes und ich kam ordentlich ins Schwitzen. Eigentlich wollte ich noch den Calanda selbst besteigen, doch ich sparte mir die Zeit und die Höhenmeter für die letzte Hütte des Tages nahe der Liechtensteiner Grenze, nicht ohne auf der Calanda-Hütte mit einem gleichnamigen Panasch dem gleichnamigen Berg meine Ehre zu erweisen.
Bündner Hauptort Chur
Aller guten Dinge sind drei. Von St. Luzisteig, dem nördlichen Punkt Graubündens, sind es genau 800 Höhenmeter zur Enderlin-Hütte, die wie ein Adlerhorst an der Südwestflanke des Falknis thront. Der Zustieg ist eher unspektakulär, zunächst führt der Weg der Lochrüfi entlang und dann direkt durch einen Laubwald in steilen Stufen zur Hütte. Umso spektakulärer ist dort die Aussicht über das Rheintal von Sargans bis Chur. Hier nochmal der Bündner Braukultur zu gedenken, wäre zu viel des Guten gewesen und so machte ich mich nach einem Möhl-Schorley auf den Rückweg. Dieser zog sich wegen des hohen Verkehrsaufkommens - offensichtlich war an diesem Sonntag die halbe Schweiz auf Strassen unterwegs - dann doch noch etwas in die Länge.
Enderlin Hütte am Spätnachmittag

Fakten:
Bergstation Mettmen (8.10) - Leglerhütte (9.15)
Leglerhütte (9.30) - Bergstation Mettmen (10.25)
700 Höhenmeter

Haldenstein (11.50) - Calanda Hütte (13.50)
Calanda Hütte (14.10) - Haldenstein (14.50)
1600 Höhenmeter

St. Luzisteig (15.30) - Enderlin Hütte (16.35)
Enderlin Hütte (16.45) - St. Luzisteig (17.35)
800 Höhenmeter


Samstag, 27. September 2014

Kurz und Schmerzlos - Zwei Hütten in der Greina

'Kurz und Schmerzlos' lautet zumindest der Titel dieses Blog-Eintrags. Die Tour selbst war in doppelter Hinsicht das Gegenteil: Mit über 33km und 2'600 Höhenmeter eher lang und am Ende tat's dann doch ein bisschen weh. Kein Wunder, wenn man eine Zweitagestour an einem Tag absolviert und dann noch mit öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs ist.

Entschädigt wurde ich durch zwei schöne Hütten, viel Einsamkeit (ausser in der Greina selbst) und richtig anständiges Wetter, und das im Jahr 2014!

Hier lasse ich die Fotos mit Untertitel für sich selbst sprechen:


Val Lavaz Richtung Osten (von Medelser Hütte)
Cna. da Medel (2524m)
Glatscher da Lavaz (oder was davon noch übrig ist)
Fuorcla Sura da Lavaz (2703 m)
Von der Fuorcla in die Val Camadra (Blenio)
Greina Ebene
Terrihütte in Bildmitte

Neugierige Bewohner der Alp Plaunca da Starlegs
Routenverlauf

Fakten:
Tenigerbad (9.45) - Alp Rentiert - Alp Lavaz - Medelserhütte (12.00)
Medelserhütte (12.45) - Fuorcula Sura da Lavaz (14.30) - Greina (15.30) - Terrihütte (16.15)
Terrihütte (16.30) - Tenigerbad (18.30)

2'600 Höhenmeter, 34 Kilometer

Montag, 22. September 2014

Grenzschlängeln - Sarganserland, Glarus und Graubünden

Bei der Realisierung meines Hüttenprojektes lerne ich auch Gegenden kennen, die bislang nicht auf meiner Topliste in den Schweizer Alpen standen, wie etwa das Gebiet zwischen Calfeisental und Sernftal. Und das völlig zu unrecht.

Eine anspruchsvolle alpine Wanderung verbindet die Sardonahütte mit der Martinsmadhütte, wobei sich der grösste Teil der Wegstrecke, nämlich zwischen Trinser Furgga und Grischsattel, in Graubünden befindet.

Eine zeitige Anreise mit dem Zug bringt mich über Zürich nach Bad Ragaz und der Bus von dort nach Vättis und weiter an die Staumauer des Gigerwaldsees. Endstation. Zunächst führt der Weg eher unspektakulär auf Asphalt dem Stausee entlang, lediglich einige Tunnel bringen etwas Abwechslung. An der Walsersiedlung St. Martin weitet sich sich das Tal und die eigentliche Tour beginnt. Bis hierher wäre es möglich, mit dem PKW zu fahren, mit dem Bike ginge es bis weit hinter die Alp Sardona.
Mittagspause an der Sardonahütte
An der Alp Sardona endet die Naturstrasse und ein Wanderweg führt zunächst flach, dann steiler werdend über 400 Höhenmeter zur Sardonahütte. Diese erreiche ich pünktlich zur Mittagszeit, wo mich unerwartet die Sonne begrüsst und ich im Freien das verspätete Znüni geniessen kann.
Schlussanstieg zur Trinser Furgga
Die Hüttenwartin gibt mir noch ein paar Tipps für den weiteren Weg und ich verabschiede mich in Richtung Trinser Furgga. Dieser mit einem Steinmann markierte und von der Hütte aus gut sichtbare Übergang wird durch einen leicht ansteigenden Pfad erreicht, der durch abwärts geschichteten Schiefer führt. Bei Neuschnee oder Vereisung wollte ich hier nicht durchgehen müssen.
Blick zurück ins Calfeisental - Hütte in Bildmitte
An der Furgga angekommen, geht der Blick zurück ins Calfeisental und nach Süden ins Bündner Oberland, wohin ich weglos über Geröllfelder ohne nennenswerten Höhenverlust weiter ziehe.
Fast endlose Steinwüsten - Val Sax
Während der nächsten 3 Stunden bewegt man sich stets zwischen 2300 m und 2500 m,  überquert die Fuorcla Raschaglius und La Siala, bis man in das Tal südwestlich des Piz Segnas gelangt, wo mir für heute die ersten und einzigen beiden Menschen begegnen.
Glarner Hauptüberschiebung
An verschiedenen Stellen wird deutlich, dass wir uns in einem der bedeutensten alpinen Geotope, der Glarner Hauptüberschiebung befinden. Eindrucksvoll zeigt sich das Martinsloch, auch eine Folge geologischer Verwerfungen, von der Bündner Seite. Was zunächst als kleine Öffnung erscheint, sich dann beim Näherkommen als grosses Fenster mitten in der Wand entpuppt, ist nicht nur geologisch sondern auch astronomisch interessant: Vom Kirchturm in Elm, dem Talort auf der Glarner Seite, zeigt sich die Sonne - und auch andere Himmelskörper - nur an ganz bestimmten Tagen im Jahr.

Martinsloch von der Bündner Seite (Süden)
Der Aufstieg zum Grischsattel, dem höchsten Punkt der Tour, gestaltete sich dann doch noch etwas anspruchsvoller als erwartet. Anfangs liess ich mich von weit oben sichtbaren Aufstiegsspuren irritieren, an denen ich mich orientierte (rote Linie), um dann über den immer steiler werdenden Ausstieg auf 2500 m aus der Wand auszusteigen. Glücklicherweise hatte ich einen Eispickel dabei, der mir im abwärts geschichteten Schiefer gute Dienste leistete. Oben angekommen blickte ich nach unten und musste zugeben, dass das mit T4/5 nichts mehr zu tun hat und ich hier sicher nicht abgestiegen wäre. Tipp: Am besten rechts (i.S.d.A.) halten.
Varianten zum Grischsattel (blau markiert: Originalroute)
Die sichtbaren Aufstiegsspuren erwiesen sich dann doch nicht als Illusion, sie waren jedoch nicht menschlichen, sondern tierischen Ursprungs. Konkret: Als ich näher kam, sah ich ein Rudel Gämse nach oben springen, deutlich lockerer und schneller als der scheinbare Verfolger.
Abstieg ins Sernftal
Mit dem Grischsattel war der höchste Punkt des Tages erreicht und damit mein zweites heutiges Hüttenziel, die Martinsmadhütte, nicht mehr weit. Da man dort bereits die Saison beendet hat, entschloss ich mich, gleich nach Elm abzusteigen. Glücklicherweise gab's im Winterraum ausreichend Flüssigkeit, wo ich mich bei der Abteilung 'Alkoholfrei' bediente - natürlich nicht ohne im Kässeli zu bezahlen. Der Tag endete wettermässig so, wie er begonnen hatte: Eine halbe Stunde Dauerregen.

Und der nächste Tag begann ebenso. Ein gut 1-stündiger Fussmarsch von Linth nach Tierfehd brachte zwar den Körper auf Betriebstemperatur, wegen des Dauerregens gab es aber nur die beiden Alternativen: Entweder vom Regen oder vom eigenen Schweiss nass zu werden. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche.
Axpo Linthal 2015
Daher hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, zusammen mit den Arbeitern des Muttsee Stauseeprojekts Linthal 2015 die Seilbahn nach Kalktrittli zu benutzen und von dort die gleichnamige Hütte in Angriff zu nehmen. (Hier investiert Axpo, der Namensgeber meines Hüttenprojektes.)
Neuschnee auf dem Weg zur Muttseehütte
Oben gab es bereits Neuschnee und auch auf der Muttseehütte hat man die Zelte bereits abgebrochen, so dass mich nach kurzem Aufenthalt auf den Rückweg machte.

Fakten:
1. Tag
Gigerwaldsee Staumauer (10.45) - Sardonahütte (11.50)
Sardonahütte (12.15) - Trinser Furgga (13.00) - Val Sax - Plaun dils Agls - Fuorcla Raschglius (14.00) - Segnas Sura - La Siala - Las Patas - Il Vonn - Grischsattel (16:00) - Martinsmadhütte (16.45)
Martinsmadhütte (17.15) - Elm (18.30)
Aufstieg: 2'250 Hm
Distanz: 32 Kilometer

2. Tag
Linthal
(6.45) - Tierfehd (8.00) - Bergbahn - Kalktrittli (8.10) - Muttseehütte (9.45) - Kalktrittli (11.00) - Bergbahn - Linthal (12.45)
Aufstieg: 800 Hm

Samstag, 20. September 2014

Realität und Virtualität an der Grimsel

Ein bekanntes amerikanisches Unternehmen hat keine Kosten und Mühen gescheut, den Hüttenweg vom Grimsel-Hospiz zur Lauteraarhütte digital zu erfassen. Selbst das Hütteninnere kann virtuell begangen werden.
Blick ins Grimsel-Karakorum
Mir persönlich ist jedoch die Realität lieber und so startete ich grausam früh - ausnahmsweise mit dem PKW - im Aargau und pünktlich in der Morgendämmerung per Pedes am Grimsel-Hospiz. Ein Grossteil des Hüttenwegs war mir von einer Begehung der Studerhorn N-Wand vom Aarbiwak und einer Wanderung mit Tina vor einigen Jahren bekannt. Bis zum Ende des Stausees überwindet man kaum Höhenmeter, dafür umso mehr Kilometer. Der Schlussanstieg über die Moräne bringt mich dann doch ins Schwitzen und ich erreichte die schöne alte Hütte nach gut 2 Stunden.
Rückblick zum Grimsel-Stausee
Fotos von der Hütte gibt es von mir keine, warum auch? Hier ist alles zu sehen:
(Originaltext auf der Website der Hütte)
 Die Lauteraarhütte in Street View
- Aussenansicht: 
http://goo.gl/tNZ8Di 
- Innenansicht: http://goo.gl/IQBlzu
Eine Auswahl an Street View Bilder der Bergkulisse im Grimselgebiet: http://goo.gl/GvQw2e

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Mittwoch, 17. September 2014

Cavardiras und Punteglias - Sonne und Eis in der Surselva

Der Zug brachte mich von Zürich mit Umstieg in der ältesten Stadt der Schweiz nach Disentis/Mustér im Tal des Vorderrheins. Gerade noch erwischte ich die letzte Caischavedra-Bergbahn, die mich auf 1860 m in den strömenden Regen entliess.
Spätsommer am Brunnifirn
In leichtem Auf und Ab erreicht man bald den Lag Serein, bei schönem Wetter sicher eine idyllische Wanderung, angesichts der vorherrschenden Wetterverhältnisse jedoch eher eine Sache der Willensschulung. Bekanntermassen schützt die beste Regenkleidung nicht vor dem nass werden, je mehr sie aussen abhält, umso mehr bringt sie einen zum Schwitzen. Ihre primäre Funktion besteht darin, vor Auskühlung zu schützen.
Winterlandschaft an der Fuorcla da Cavardiras
Bald darauf steigt der Weg nordwärts an, und ich erreiche verblocktes Gelände, als sich der Regen in Schnee verwandelt. Auch ist es merklich kühler geworden, der Nassschnee auf den Augenbrauen gefriert schon. Da ich in Bewegung bleibe, ist dies alles kein Problem. Jetzt geht es in eine steile Rinne, an deren Ende mich ein eiskalter Wind in Empfang nimmt. Auf 2740 m habe ich den Brunnipass erreicht. Die Ketten, die den Abstieg über das Brunnigrätli auf den gleichnamigen Firn erleichtern, sind mit einer dicken Eisschicht überzogen, an manchen Stellen versinke ich knietief in Schneeverwehungen. Der Eispickel erweist mir gute Dienste, ebenso Mütze und Halstuch. Glücklicherweise ist es nicht mehr weit zur Cavardiras Hütte, die ich nach 2 Stunden erreiche. Dort werde ich nicht nur von den Hüttenwarten erwartet, auch eine Gruppe Franzosen aus dem Elsass freut sich über meine Ankunft. Denn jetzt kann das Abendessen beginnen.

Fakten:
16.45 Bergstation Caischavedra
18.45 Camona Cavardiras
1100 Hm

Der nächste Morgen zeigt sich wettermässig eher verhalten, so dass ich erst gegen 8 Uhr die Hütte verlasse. Auch wenn für heute eine längere Strecke ansteht, scheint es angesichts der Schneeverhältnisse doch besser, erst nach Sonnenaufgang aufzubrechen.
Abstieg in die Val Cavardiras
Mit schwindender Höhe weicht auch der Schnee, Wolken und Nebel lichten sich und es zeigt sich sogar die Sonne. Durch die Val Cavardiras geht es zur Val Cadrein, wo mir plötzlich ein ausgewachsener Hütehund den Weg versperrt. Mit dem zugehörigen Schäfer, einem Freiburger Studenten, der 4 Monate mit über 700 Schafen in dieser grandiosen Gegend verbringt, führe ich ein interessantes Gespräch. Er gibt mir einige Tipps über die weitere Routenplanung und empfiehlt mir den Käse der nahegelegenen Alp Russein, wo seine Mutter als Sennerin tätig ist.
Alp Cavrein
An der Alp Russein wird mit 1770 m der tiefste Punkt zwischen Cavardiras- und Punteglias-Hütte. Die nicht durchgehend markierte, unwegsame Route führt von dort nach Norden, wendet sich nach knapp einem Kilometer in die Val Gliems, die man weit rechts (im Sinne des Aufstiegs) des Wasserfalls durch eine Steinrinne auf knapp 2400 m betritt.

Steilstufe und Wasserfall der Val Gliems - Aufstieg bei Geröllrinne rechts
Die weit auslaufende Schwemmebene führt zum Beginn eines Schlussanstiegs, der in gleichmässiger Steigung über die Gletschermoräne zur Fuorcla da Punteglias (2814 m) führt.Von dort oben hat man einen einmaligen Blick zurück - weit hinten zeigt sich der Ausgangspunkt der heutigen Tour, die Camona Cavardiras.
Val Gliems (Vordergrund) und ganz hinten in der Lücke: Cavardiras-Hütte
Fuorcla da Punteglias - der Übergang ins nächste Tal
Jetzt geht es nur noch bergab, über verblockten Moränenschutt auf den Gletscher, dann zur Punteglias Hütte und weiter durch das gleichnamige Tal bis zur Staziun Trun, exakt 2000 Höhenmeter.

Alles in allem ein grandioses Unternehmen mit ausreichend Wasser, Schnee, Sonne und Kälte in einsamer, ursprünglicher und alpiner Umgebung. Gletscherberührung inklusive, kein richtiges Bergsteigen aber deutlich anspruchsvoller als Bergwandern.


Fakten:
7.45 Camona Cavardiras
12.15 Fuorcla da Punteglias
13.15 Camona Punteglias
15.15 Staziun Trun
1250 Hm Aufstieg, 3000 Hm Abstieg

Samstag, 6. September 2014

Der längste Hüttenzustieg - Grüssen am Berg

Einer der längsten Hüttenzustiege der Alpen führt durch das Walliser Baltschiedertal nahe Visp zur Baltschiederklause. Je nach Ausgangspunkt sind die Zustiegszeiten mit gut 6 Stunden angegeben.
Entweder den Suonen entlang oder durch einen Kilometer langen Stollen führt der Weg von der Lötschbergbahn-Südrampe ins besagte Tal und bis an dessen Ende am Fuss des Jägihorns.
Baltschiedertal mit Stockhorn
Was ist eine Suone?
Ein künstlicher Bachlauf, der das Wasser mit minimalem Gefälle oft Kilometer lang aus dem Gebirge auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, meist Wiesen oder Weinberge, führt. (Wikipedia: Suone)
Suone Gosperi - (c) Gossweiler
Wie die westlicher gelegenen Nachbartäler Bietsch, Gredetsch und Joli zählt das Baltschiedertal zu den wenigen nördlichen Alpentälern, die ihre Ursprünglichkeit erhalten haben und von den Segnungen und Flüchen der Zivilisation weitestgehend verschont blieben. Es gibt weder Fahrstrassen noch Skistationen, keine Siedlungen oder Ferienressorts, lediglich eine handvoll Alphütten, die vereinzelt am Wochenende oder zur Ferienzeit genutzt werden.
Am Ende des Baltschiedertals
Nach einer dienstlichen Stippvisite in Bern erreiche ich Visp innert einer guten Stunde via Lötschberg-Basistunnel, der Postbus nach Eggerberg/Eggen erleichtert den Anstieg um einige Höhenmeter. Von dort folgt der Weg eindrucksvoll der Suone Gosperi bis zum Baltschiederbach, wo ich auf die alternativen Hüttenzustiege von Ausserberg treffe. Da ich mit leichten Bergschuhen und wenig Gepäck unterwegs bin, komme ich recht zügig voran und treffe an der Martischüpfa auf eine Gruppe, die ebenfalls von Eggen gestartet war, nur eine Stunde früher. Dort entdecke ich das einfache, durchnässte Naturbiwak, das von Hirten über Jahrzehnte als Unterkunft genutzt wurde, und bin froh, dass ich von meinem ursprünglichen Plan dort zu nächtigen abgewichen bin. Das wäre doch zuviel der Ursprünglichkeit gewesen.
Alpiner Sakralbau: Hohbitzu Kapelle
Nach weiteren knapp 200 Höhenmetern ist Hobitzu erreicht, von wo der Bergpfad zum Stockhorn-Biwak abzweigt. Direkt neben einem Tümpel steht lawinengeschützt an einem Felshang eine Kapelle, in deren Innern einige Gedenktafeln an alpine Unfallopfer erinnern oder ermahnen. Auf der nächsten Hochebene überquere ich nochmals den Baltschiederbach und nehme den 500 Höhenmeter-Gipfelhang in Angriff. Erst auf halber Höhe entdecke ich die Hütte, die ich nach gut 3 Stunden erreiche.
Baltschiederklause mit Bietschhorn
Gegenüber thront das Bietschhorn über dem gleichnamigen Gletscher, ein Berg, der es knapp nicht zum Viertausender geschafft hat. Zum Glück, denn sonst wäre es auch hier - oder zumindest auf der Bietschhornhütte - vorbei mit der Ursprünglichkeit.

Mit Jolanda, der Hüttenwartin, die mich freudig begrüsst, unterhalte ich mich kurz über die laufende Saison und die schlechten Wetterbedingungen in diesem Jahr. Schlecht gelaunt ist sie aber keinesfalls, denn zumindest heute erwartet sie zahlreiche Übernachtungsgäste. Den meisten davon begegne ich beim Abstieg in unterschiedlich grossen Gruppen verschiedener helvetischer Herkunft. Von "Bonjour" über "Grüezi", "Ciao" und "Grüessech" war fast jede Sprachgruppe vertreten und ich erlaube mir den Scherz, die nächste Gruppe im Idiom der letzten zu grüssen.
Blick Richtung Breithorn
Wer grüsst eigentlich wen am Berg zuerst und wie? Und wann überhaupt und wann nicht? Darf ab einer bestimmten Gruppengrösse oder Personendichte ignoriert werden? Gibt es geschlechts- und altersspezifische Unterschiede? Grüsst der Nordwandbezwinger den Bergwanderer und umgekehrt? Mit solchen Gedanken beschäftigt, reisst mich ein "Griass Di" aus der Lethargie. Zweifelsohne sind hier zwei Vertreter des (flächenmässig) grössten deutschen Bundeslandes am Werk, ein Verdacht, der sich durch den Aufdruck "Mia san mia" und einem einschlägigen Vereinstrikot bestätigt. Aha, allochthone Ursprünglichkeit ...

Nachtrag:
Zwei Tage später entdecke ich in der Berner Bahnhofsbuchhandlung den folgenden Titel: "Prantl: Gipfelbuch. Goldmann, 2014" mit einem Kapitel über die alpinistische Grussproblematik, der keine Fragen mehr offen lässt. Besonders angetan hat es mir die letzte Regel: "Die Pflicht zum Gegengruß entfällt, wenn mit 'Guten Tag!' gegrüßt wird."

Fakten:
Eggerberg Eggen (1049 m) - Baltschiederklause (2783 m) (3.10 Std.)
Retour (3 Std.)

Sonntag, 31. August 2014

Hüttenintermezzo - Feuermann und Casserolier

Vom 17. bis 31. August verbrachte ich zwei interessante, lehrreiche und auch anstrengende Wochen als Praktikant auf der Capanna Sasc Furä. Die Hütte liegt auf einem Bergrücken am Fuss der Badile Nordkante, einer klassischen alpinen Kletterroute mittlerer Schwierigkeit.
Abendstimmung
Diese Hütte war eine der ersten, die wir in den 80er Jahren besuchten, als wir die Granitwände und -kanten des Bergell in Angriff nahmen.
Kaffee Trubinasca
Nach einer etwas ungewöhnlichen Anreise über Arosa und Alvaneu brachte mich der Postbus zum Malojapass und von dort hinunter nach Bondo im Val Bregaglia. Als ich mit meinem Gepäck auf der Hütte ankam, war das Hüttenteam mit der abendlichen Hauptaktivität beschäftigt. Ich kam also gerade rechtzeitig. Nein, nicht zum Abendessen, sondern zum Abspülen.
Der Vorspüler
Und es sollte auch nicht das letzte Mal sein, dass ich dieser Tätigkeit nachging. Während der zwei Wochen konnte ich einen umfassenden Einblick in die Anforderungen eines Hüttenwartes erlangen. Diese erschöpfen sich nämlich nicht darin, den Gästen - hier vorwiegend Alpinisten und Bergwanderern - warme Mahlzeiten zu servieren, einen Schlafplatz zuzuweisen und abzukassieren. Es sind häufig auch technische und handwerkliche Fähigkeiten gefragt, man ist Psychologe, Ersthelfer und mehrsprachige Auskunfstdatenbank; logistische Herausforderungen sind zu meistern und Hygienevorschriften sind einzuhalten, um die wichtigsten Aspekte zu nennen. Und natürlich macht ein Hüttenwart dies nicht nur zum Spass, er muss auch davon leben.
Pizzo Trubinasca - Tiefblick auf den gleichnamigen Gletscher
Auch wenn mich nichts wirklich überrascht hat, empfand ich das Praktikum sehr hilf- und lehrreich. Zweimal hatte ich sogar die Gelegenheit, kleine Touren zu unternehmen. Gerne bereitete ich um 4 Uhr das Frühstück für die Frühaufsteher zu, um dann kurz nach ihnen selbst aufzubrechen. Mein Weg führte mich nicht zur Nordkante, sondern eher zu moderaten Zielen wie über die Sciora-Hütte und Passo Cacciabella Sud zur Albigna-Hütte oder auf den Pizzo Trubinasca, einen der seltenen Berge, von denen man fast gleichzeitig den Lej da Segl als auch den Lago di Como erblicken kann.

Meine Leidenschaft als Hüttenwarts-Praktikant entfachte sich schliesslich bei der aus meiner Sicht wichtigsten Haushaltstätigkeit, dem Holz hacken und Feuer entzünden. Hierbei liessen mir Chefin Heidi wie Köchin Joana stets den Vortritt, wohl aus Respekt vor der evolutionsbiologisch begründeten patriarchalen Dominanz auf diesem Gebiet. Und auch der Schornsteinfeger, der mit dem Bernina-Express einflog, war ein Mann.
Schornsteinfeger - So ist man schnell am Berg
Während der zwei Wochen auf der Sasc Furä konnte ich mein eigentliches Hüttenprojekt natürlich nicht mit vollem Elan verfolgen und lediglich die Sasc Furä-Hütte, quasi ein 'Heimspiel', und die Albigna-Hütte 'abhaken'.