Axpo Hüttenpreis

Vom 28.06. bis 05.10.2014 lief die Aktion Axpo-SAC-Hüttenpreis 2014, bei der verschiedene SAC-Hütten besucht werden können. Nach dem Besuch der ersten Hütte hatte ich plötzlich die Idee, während der 100 Tage alle 58 Hütten zu besuchen. Dieses für einen Alpinisten etwas aussergewöhnliche Vorhaben eröffnet doch die ein oder andere neue Perspektive auf die Hütten, die ich lange Zeit als Mittel zum Zweck betrachtete. Bitte beachtet folgende Hinweise

Samstag, 6. September 2014

Der längste Hüttenzustieg - Grüssen am Berg

Einer der längsten Hüttenzustiege der Alpen führt durch das Walliser Baltschiedertal nahe Visp zur Baltschiederklause. Je nach Ausgangspunkt sind die Zustiegszeiten mit gut 6 Stunden angegeben.
Entweder den Suonen entlang oder durch einen Kilometer langen Stollen führt der Weg von der Lötschbergbahn-Südrampe ins besagte Tal und bis an dessen Ende am Fuss des Jägihorns.
Baltschiedertal mit Stockhorn
Was ist eine Suone?
Ein künstlicher Bachlauf, der das Wasser mit minimalem Gefälle oft Kilometer lang aus dem Gebirge auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, meist Wiesen oder Weinberge, führt. (Wikipedia: Suone)
Suone Gosperi - (c) Gossweiler
Wie die westlicher gelegenen Nachbartäler Bietsch, Gredetsch und Joli zählt das Baltschiedertal zu den wenigen nördlichen Alpentälern, die ihre Ursprünglichkeit erhalten haben und von den Segnungen und Flüchen der Zivilisation weitestgehend verschont blieben. Es gibt weder Fahrstrassen noch Skistationen, keine Siedlungen oder Ferienressorts, lediglich eine handvoll Alphütten, die vereinzelt am Wochenende oder zur Ferienzeit genutzt werden.
Am Ende des Baltschiedertals
Nach einer dienstlichen Stippvisite in Bern erreiche ich Visp innert einer guten Stunde via Lötschberg-Basistunnel, der Postbus nach Eggerberg/Eggen erleichtert den Anstieg um einige Höhenmeter. Von dort folgt der Weg eindrucksvoll der Suone Gosperi bis zum Baltschiederbach, wo ich auf die alternativen Hüttenzustiege von Ausserberg treffe. Da ich mit leichten Bergschuhen und wenig Gepäck unterwegs bin, komme ich recht zügig voran und treffe an der Martischüpfa auf eine Gruppe, die ebenfalls von Eggen gestartet war, nur eine Stunde früher. Dort entdecke ich das einfache, durchnässte Naturbiwak, das von Hirten über Jahrzehnte als Unterkunft genutzt wurde, und bin froh, dass ich von meinem ursprünglichen Plan dort zu nächtigen abgewichen bin. Das wäre doch zuviel der Ursprünglichkeit gewesen.
Alpiner Sakralbau: Hohbitzu Kapelle
Nach weiteren knapp 200 Höhenmetern ist Hobitzu erreicht, von wo der Bergpfad zum Stockhorn-Biwak abzweigt. Direkt neben einem Tümpel steht lawinengeschützt an einem Felshang eine Kapelle, in deren Innern einige Gedenktafeln an alpine Unfallopfer erinnern oder ermahnen. Auf der nächsten Hochebene überquere ich nochmals den Baltschiederbach und nehme den 500 Höhenmeter-Gipfelhang in Angriff. Erst auf halber Höhe entdecke ich die Hütte, die ich nach gut 3 Stunden erreiche.
Baltschiederklause mit Bietschhorn
Gegenüber thront das Bietschhorn über dem gleichnamigen Gletscher, ein Berg, der es knapp nicht zum Viertausender geschafft hat. Zum Glück, denn sonst wäre es auch hier - oder zumindest auf der Bietschhornhütte - vorbei mit der Ursprünglichkeit.

Mit Jolanda, der Hüttenwartin, die mich freudig begrüsst, unterhalte ich mich kurz über die laufende Saison und die schlechten Wetterbedingungen in diesem Jahr. Schlecht gelaunt ist sie aber keinesfalls, denn zumindest heute erwartet sie zahlreiche Übernachtungsgäste. Den meisten davon begegne ich beim Abstieg in unterschiedlich grossen Gruppen verschiedener helvetischer Herkunft. Von "Bonjour" über "Grüezi", "Ciao" und "Grüessech" war fast jede Sprachgruppe vertreten und ich erlaube mir den Scherz, die nächste Gruppe im Idiom der letzten zu grüssen.
Blick Richtung Breithorn
Wer grüsst eigentlich wen am Berg zuerst und wie? Und wann überhaupt und wann nicht? Darf ab einer bestimmten Gruppengrösse oder Personendichte ignoriert werden? Gibt es geschlechts- und altersspezifische Unterschiede? Grüsst der Nordwandbezwinger den Bergwanderer und umgekehrt? Mit solchen Gedanken beschäftigt, reisst mich ein "Griass Di" aus der Lethargie. Zweifelsohne sind hier zwei Vertreter des (flächenmässig) grössten deutschen Bundeslandes am Werk, ein Verdacht, der sich durch den Aufdruck "Mia san mia" und einem einschlägigen Vereinstrikot bestätigt. Aha, allochthone Ursprünglichkeit ...

Nachtrag:
Zwei Tage später entdecke ich in der Berner Bahnhofsbuchhandlung den folgenden Titel: "Prantl: Gipfelbuch. Goldmann, 2014" mit einem Kapitel über die alpinistische Grussproblematik, der keine Fragen mehr offen lässt. Besonders angetan hat es mir die letzte Regel: "Die Pflicht zum Gegengruß entfällt, wenn mit 'Guten Tag!' gegrüßt wird."

Fakten:
Eggerberg Eggen (1049 m) - Baltschiederklause (2783 m) (3.10 Std.)
Retour (3 Std.)

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