Axpo Hüttenpreis

Vom 28.06. bis 05.10.2014 lief die Aktion Axpo-SAC-Hüttenpreis 2014, bei der verschiedene SAC-Hütten besucht werden können. Nach dem Besuch der ersten Hütte hatte ich plötzlich die Idee, während der 100 Tage alle 58 Hütten zu besuchen. Dieses für einen Alpinisten etwas aussergewöhnliche Vorhaben eröffnet doch die ein oder andere neue Perspektive auf die Hütten, die ich lange Zeit als Mittel zum Zweck betrachtete. Bitte beachtet folgende Hinweise

Samstag, 2. August 2014

Königsetappe zwischen Lac Léman und Montblanc

Quasi am Rande der Eidgenossenschaft aber nichtsdestoweniger im Herzen der Alpen liegen zwischen Verbier und dem Montblanc die drei Hütten mit der höchsten absoluten Höhe. Aber wie heisst es so schön: 'Per aspera ad astra!' Und rauh, das heisst anstrengend, wurde es auf jeden Fall. Auch sind auf der Cabane du Trient (3170m) die Sterne zum Greifen nah, näher jedenfalls als auf jeder anderen Hütte der 'Axpo-Liste'.
Blick von der Cabane zum Trient-Plateau












Der erste Zug bringt mich mit Velo über Bern, Lausanne nach Champéry, dem Ausgangspunkt zur Cabane de Susanfe am Fuss der Dents du Midi. Diese Hütte liegt quasi auf dem Weg, wenn man aus der deutschsprachigen Schweiz über den Genfer See ins Wallis reist.

Mit dem Bike geht es die ersten Höhenmeter zunächst auf einer Asphalt-, später auf einer Naturstrasse über Champ de Barme zu einem kleinen Parkplatz. Nach Bike-Depot folgt ein Fussweg, der am Buvette-Refuge de Bonavau vorbei und glücklicherweise bald in eine felsdurchsetzte Zone führt. Der Regen der letzten Tage hatte den Wiesen-Trail in einen Morast-Pfad verwandelt, teilweise stecke ich knöcheltief im Sumpf.
Sonne und Wolken auf dem Rückweg nach Champéry












Einige Steilstufen sind mit Ketten gesichert und erfordern gerade bei Nässe ein konzentriertes Gehen. Bald ist der Pass d'Encel erreicht, mehr eine enge Schlucht als ein Passübergang, und es geht über eine längere Geröllpassage und dann offenes Gelände zur Hütte. Erst beim Abstieg lichten sich die Wolken und die Sonne zeigt sich.

Vom Bike-Depot geht es dann in rasanter Abfahrt hinunter nach Monthey, wo ich auf den Zug warte, der mich nach Martigny und Orsieres bringen soll. Damit hat sich die Mitnahme des Bikes bereits gelohnt, denn die Anbindung des Val d'Illiez an den öffentlichen Nahverkehr ist mehr als bescheiden. Nur, der Zug kommt nicht! Zumindest nicht an den Bahnhof, an dem ich warte.

Zu spät erst realisiere ich, dass es in Monthey zwei Bahnhöfe unterschiedlicher Bahngesellschaften gibt und ich ausgerechnet am falschen warte. Mir bleibt dann nichts anderes, als mit dem Bike der Rhone entlang nach Martigny und von dort ins Val Ferret zu radeln. Ein Zwischenstopp am Bahnhof von Sembrancher erinnert mich an eine fast unglaubliche Geschichte, die ich später genauer recherchiere: Das Wunder von Sembrancher.

Dreiländergipfel Mont Dolent
Erst nach 18 Uhr komme ich in La Fouly, fast am Talschluss des Val Ferret an. Hinter mir liegen 60km und 1300 Höhenmeter Asphalt. Mich lässt der Gedanke nicht los, doch noch zur Cabane de l'A Neuve aufzusteigen, eigentlich bin ich viel zu spät dran. Aber das Wetter ist stabil und irgendetwas in mir fühlt sich - warum auch immer - unausgelastet. Zügig ist das Bike am Campingplatz deponiert und schon befinde ich mich auf dem Weg zur Hütte, die ich gegen 20 Uhr erreiche. Was mich an dieser Hütte neben ihrer grandiosen Lage und dem fantastischen Ausblick zum Mont Dolent am meisten fasziniert: Man sieht sie nicht, wenn man nicht weiss, wo sie steht. Aber wenn man genau hinsieht, steht sie in voller Grösse vor einem.



Cabane de l'A Neuve (2735m) im Abendlicht
Der Smalltalk mit der Hüttenwartin hält sich aufgrund sprachlicher Defizite meinerseits etwas in Grenzen. Nein, ich hätte nicht reserviert, wollte aber auch nicht länger bleiben. 'Un visiteur de jour', der nur eine Rivella rot möchte. Als sie den Grund meines Besuches erfährt und realisiert, dass ich schon wieder auf dem Weg nach unten war, vernahm ich noch ein 'un fou', nicht ohne mir viel Erfolg für die nächsten Tage und mein Projekt zu wünschen. Gerne wäre ich länger hier oben geblieben und hätte noch mehr von den letzten Sonnenstrahlen genossen. Aber unten im Tal begann die Sonne sich schon zu verabschieden und der Plan für morgen sieht einen frühen Start vor. Kurz nach der Dämmerung bin ich wieder am Camping-Platz und erwische gerade noch eine der letzten Pizzen im Ort.

Der nächste Tag beginnt wettermässig wie der vorherige, der ein oder andere kleine Regenschauer trübt doch etwas die Euphorie, die wegen der Belastung am Vortag sowieso nicht so recht aufkommen will.
Petit Clocher du Portalet: Eines unserer Ziele der Jugend
Spätestens als sich der Petit Clocher du Portalet zeigt und dazu noch mit Sonnenstrahlen, werden Erinnerungen an frühere Zeiten wach. Aber nur kurz, denn das Leben wird ja im jetzt gelebt (und angeblich nach hinten verstanden).
Auf der anderen Talseite kann ich sehr früh schon ein weiteres Hüttenziel, die Cabane de Saleina ausmachen, die mir als Höhenorientierung für mein erstes Zwischenziel dient. Dort, an der Cab. d'Orny, komme ich nach 2 Stunden an, gerade rechtzeitig, um vor den anstehenden Vorbereitungen für Nationalfeiertag noch eine Rivella zu ordern. Zunächst wundere ich mich über die doch recht hohe Zahl von Tagestouristen - von denen ich ja selbst auch einer bin -, bis ich später feststelle, dass es von Champex einen seilbahnunterstützten Zustieg gibt, der bei 2200 Hm beginnt. Da ich diese Hilfsmittel höchstens beim Abstieg benutze und ich wegen des Velos meist zum Ausgangspunkt zurückkehre, hätte mir dieses Wissen sowieso wenig genutzt.

Von der Cab. d'Orny sind es gut 350 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt des gesamten Projektes, der Cabane du Trient. Nach der Querung eines seilversicherten Schutthangs öffnet sich plötzlich der Blick über das Plateau du Trient zum Col und Aguille du Tour. Jeder Haute-Route Skitourist kennt diese Gegend, handelt es sich hier um eine der Schlüsselstellen dieser Skidurchquerung von Argentiere nach Saas Fee.

Schade, dass ich allein und ohne entsprechende Ausrüstung unterwegs bin, denn hier gäbe es einen schönen Gletscherübergang zur Cabane de Saleina. Aber gut, man kann nicht alles haben ...

Cabane du Trient (3170m)
Auf der Hütte gibt es feinen Aprikosenkuchen, den ich mir nicht entgehen lasse. Ich nutze die Zeit, um mein weiteres Vorgehen zu planen. Wenn ich mich ranhalte, sollte ich gegen 13.30 Uhr beim Bike-Depot sein, Zeit genug, um noch die 1200 Höhenmeter zur Cab. du Saleina in Angriff zu nehmen. Doch es sollte anders kommen.
Beim Abstieg treffe ich kurz vor der Abzweigung ins Vall. d'Arpette de Saleina auf einen einzelnen Berggänger. Er sitzt mit aschfahlem Gesicht auf einem Stein. Ihm wäre etwas schwindlig und er habe Durst. Gerne nimmt er den Inhalt meiner Wasserflasche. Seine Gruppe müsste bald von oben kommen, man hätte ihn hier deponiert und würde ihn beim Abstieg wieder aufsammeln. OK, dachte es in mir, scheinen ja nette Kameraden zu sein. Und in der Tat kam nach einer knappen halben Stunde der Voraustrupp zurück, um dem Mitstreiter Beistand zu leisten. Ob sie meinen Hinweis wirklich befolgten, ihn nicht mit Dosenbier zu revitalisieren, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Ich verabschiedete mich und wünschte alles Gute.

Dieser ungeplante Zwischenstopp hat mich doch etwas irritiert, gedanklich, aber auch was mein Zeitmanagement betrifft. Letztlich war es mir dann doch nicht so unrecht, mein zweites Tagesziel für heute aussen vor zu lassen und direkt mit dem Velo nach Martigny zu fahren. Ein Grund mehr, diesem eindrücklichen Tal einen weiteren Besuch abzustatten.

Fakten:
Tag 1:
Champéry (10.30) - Cabane de Susanfe (12.15) - Champéry (13.45) - (Velo) - Monthey (14.30)
Monthey (15.00) - (Velo) - Martigny - La Fouly (18.20)
La Fouly (18.30 ) - Cabane de l'A Neuve (20.00) - La Fouly (21.30)
Höhenmeter: 3700 (davon 1900 mit Velo)

Tag 2:
La Fouly (7:30) - (Velo) - Saleinaz - (Velo) - P. 1555 (8.15) - Cabane d' Orny (10:15) - Cabane du Trient (11.15) - P. 1555 (14.00) - (Velo) - Sembrancher - (Velo) - Martigny (15.30)
Höhenmeter: 2000 (davon 400 mit Velo)